Kein Problem, sagt der Hundekenner. Ich höre, warum ein Hund knurrt und wie es ihm geht. Aber stimmt das? Und was versteht der unbedarfte Zuhörer? Kann er Spiel und Bedrohung am Knurren unterscheiden? Mit diesen Fragen haben sich Wissenschaftler aktuell beschäftigt.
Hunde bellen nicht immer gleich, das ist wohl jedem klar. Aber das gilt auch fürs Knurren. Auch dadurch sagen sie etwas über die Situation aus, in der sie sich befinden, etwa ob sie spielen, sich bedroht fühlen oder jemand bedrohen bzw. etwas verteidigen. Und sie drücken aus, wie es ihnen geht, also ihre Emotionen.
Hunde verstehen solche Inhalte natürlich und auch, wie groß ein unbekannter knurrender Bello ist, wie Tamás Faragó und seine Kollegen schon 2010 herausfanden. Sie spielten Hunden das Knurren eines Artgenossen vor und zeigten ihnen gleichzeitig Bilder des Urhebers und das eines viel größeren oder kleineren Hundes - oder einer Katze. Das Bild des „Richtigen“ schauten sie dabei deutlich länger an als die anderen. Der Zusammenhang zwischen Klang der Stimme bzw. Frequenzbereich und Größe eines Hundes liegt in der Länge des Vokaltrakts, also den stimmgebenden Strukturen im Hals, der wie vermutet bei kleinen Hunden kürzer ist als bei großen und unterschiedliche Stimmlagen hervorbringt. Dies fand das Team um Tobias Riede schon 1999 heraus. Eine weitere Studie (Taylor et al. 2010) zeigte aber, dass Hunde größer klingen, wenn sie aggressiv gestimmt sind. Es ist also doch nicht ganz so einfach, vom Hundeknurren auf die Größe des Urhebers zu schließen.
Die ungarischen Forscher um Tamás Faragó widmeten sich in ihrer aktuellen Studie auch nebenbei um die „Größenfrage“ und kamen zu etwas anderen Ergebnissen als Taylor. Ihre menschlichen Teilnehmer schätzten Hunde größer ein als tatsächlich, wenn sie sich ängstlich anhörten und kleiner als tatsächlich, wenn sie im Spiel freudig klangen. Sie kamen zum Schluss, dass Hunde beim Spielen manchmal dazu tendieren, größer wirken zu wollen. Dass Hunde ihre Emotionen sehr differenziert ausdrücken, fanden sie schon bei einer früheren Untersuchung unterschiedlicher Knurrlaute gegenüber Männern und Frauen als Bedrohung heraus.
In der aktuellen Studie wurden 40 Freiwillige (14 Männer und 26 Frauen) gebeten, sich Aufnahmen von knurrenden Hunden anzuhören, die sich in drei verschiedenen Situationen befanden: den Napf gegen einen Artgenossen verteidigen, von einem Fremden bedroht werden, und während eines Zerrspiels mit ihrem Halter. Die Hunde befanden sich also in unterschiedlichen emotionalen Zuständen. Die Forscher fragten sich, ob die menschlichen Teilnehmer den Kontext korrekt zuordnen konnten und welche Emotionen sie beim knurrenden Hund vermuteten.
Es zeigte sich, dass auch die unbedarften Teilnehmer mit ihrer Interpretation ziemlich oft richtig lagen. Diese allgemeine Fähigkeit hängt wohl mit den recht einfachen Regeln zusammen, mit denen Sender ihre Emotionen auszudrücken, vor allem Angriffs- oder Abwehrbereitschaft, die potenziell gefährlich sind. Solche Äußerungen wirken weitgehend artübergreifend, Frau Dr. Pfleiderer nennt Laute wie Zischen und Knurren „Säugetier-Esperanto“.
Die menschlichen Probanden erkannten mehr als drei Viertel aller „Spielknurrer“ korrekt. Sie ordneten den spielenden Hunden hauptsächlich die Emotionen Freude und Verspieltheit zu, gelegentlich aber auch Aggression. Das ist keinesfalls abwegig, weil vor allem bei einem Zerrspiel auch Spielaggression auftreten kann - wenn der Hund unbedingt gewinnen will. Aber auch, wenn der Hund im Spiel aggressiv klingt, sorgen einige akustische Parameter dafür, dass wir es eben doch als Spielknurren erkennen.
Schwierigkeiten hatten die Probanden bei der Unterscheidung zwischen den beiden Verteidigungssituationen, Napf und sich selbst, beide wurden oft vertauscht. Auch das ist verständlich, da sich auch die zugrundeliegenden Emotionen ähneln. Beide so genannten agonistischen Äußerungen bewerteten die Teilnehmer mit Aggression, allerdings erschienen ihnen die futterverteidigenden Hunde noch aggressiver als die vor einer Bedrohung stehenden, die ebenso oft als ängstlich wie aggressiv eingestuft wurden. Das deckt sich mit der Annahme, dass auch bei Hunden im Angesicht einer Bedrohung die Emotionen Aggression und Angst in unterschiedlichen Anteilen beteiligt sind. Und genau das erschwert die korrekte Zuordnung zu den beiden Situationen.
Bei den Teilnehmern waren solche mit Hundeerfahrung im Vorteil, durch ihre Erfahrung irrten sie sich seltener als unerfahrene Menschen. Bei diesen lagen allerdings Frauen deutlich öfter richtig als die männlichen Nicht-Hundekenner, wahrscheinlich, so vermuten die Wissenschaftler, wegen der größeren emotionalen Sensibilität.
Quellen:
Bálint, A., T. Faragó, Á. Miklósi & P. Pongrácz (2016): Threat-level-dependent manipulation of signaled body size: dog growls’ indexical cues depend on the different levels of potential danger. – Animal Cognition, 19: 1115–1131.
Faragó, T., P. Pongrácz , Á. Miklósi, L. Huber, Z. Virányi & F. Range (2010): Dogs' Expectation about Signalers' Body Size by Virtue of Their Growls. – PlosOne, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0015175.
Faragó, T., N. Takács, Á. Miklósi & P. Pongrácz (2017): Dog growls express various contextual and affective content for human listeners. – Royal Society Open Science, DOI: 10.1098/rsos.170134.
Molnár, C., F. Kaplan, P. Roy, F. Pachet, P. Pongrácz, A. Dóka & Á. Miklósi (2008): Classification of dog barks: a machine learning approach. – Animal Cognition, DOI 10.1007/s10071-007-0129-9.
Riede, T. & T. Fitch (1999): Vocal tract length and acoustics of vocalization in the domestic dog (Canis familiaris). – The Journal of Experimental Biology, 202: 2859–2867
Taylor, A.M., D. Reby & K. McComb (2010): Why do large dogs sound more aggressive to human listeners: acoustic bases of motivational misattributions. Ethology, 116: 1155–1162, doi:10.1111/j.1439-0310.2010.01829.x.